Die COVID-19-Pandemie schränkt unser Leben in vielen Bereichen ein. Wie wirkt sich das auf das Konsumverhalten in Deutschland aus?
Egbert Wege: Wir haben diese Entwicklung in mehreren Studien sehr genau angeschaut. So ist die Online-Nutzung in Deutschland während des harten Lockdowns im Frühjahr sehr stark gestiegen. Da die meisten Geschäfte geschlossen waren, ist das nicht überraschend. Es hat sich aber auch gezeigt, dass Leute, die schon zuvor online eingekauft hatten, nun überproportional mehr im Internet gekauft haben und das auch in Zukunft weiter tun wollen. Anders sieht es bei den Menschen aus, die zuvor primär stationär eingekauft haben und in erster Linie wegen fehlender Alternativen auf den Online-Handel ausgewichen sind. Sie werden auch wieder stärker zum stationären Einkauf zurückkehren. Dabei verschiebt sich im Lockdown natürlich die Nachfrage: Denn wenn sie nicht ins Restaurant gehen können, kochen sie häufiger selbst oder nutzen Lieferdienste. Andererseits haben sich die Ausgaben für Unterhaltung, Bekleidung oder Wohnungseinrichtung im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten nicht verändert. Obwohl die Menschen mehr Zeit zu Hause verbracht haben, unter anderem weil Angebote wie Reisen und Kulturveranstaltungen stark eingeschränkt waren, konnten wir keine Verschiebung dieser Budgets feststellen. Das hatten wir so nicht erwartet. Die erhöhten Ausgaben für Produkte des täglichen Bedarfs wie beispielsweise Lebensmittel halten sich hingegen konstant. Diese Entwicklung konnten wir nicht nur im Lockdown beobachten.
Karsten Hollasch: Der Trend, dass die Leute beim Konsum über den täglichen Bedarf hinaus eher zurückhaltend sind, hat sich jetzt im Herbst sogar noch einmal verstärkt. Wie unserer Consumer Pulse Survey zeigt, verschiebt über ein Viertel der Deutschen größere Anschaffungen auf einen späteren Zeitpunkt. Das ist sicher die Folge einer gestiegenen Unsicherheit, was die Auswirkungen auf die Wirtschaft und einen möglichen Arbeitsplatzverlust angeht. Wir werden weiterhin das Konsumverhalten beobachten – vor allem jetzt im zweiten Lockdown. Nur so können wir Rückschlüsse ziehen, ob sich Verhaltensmuster etablieren oder ob es sich nur um temporäre Phänomene handelt.
»Der Trend, dass die Leute beim Konsum über den täglichen Bedarf hinaus eher zurückhaltend sind, hat sich jetzt im Herbst sogar noch einmal verstärkt.«
Karsten Hollasch Partner und Leiter Consumer Business bei Deloitte
Welche Unterschiede zwischen der Entwicklung im aktuellen Lockdown und dem Frühjahr sehen Sie darüber hinaus?
Egbert Wege: Einen wesentlichen Unterschied beobachten wir bei Hamsterkäufen. Die gibt es derzeit im Vergleich zum Frühjahr kaum. Anscheinend hat das Vertrauen in den Handel und seine Lieferketten inzwischen deutlich zugenommen. Darüber hinaus sehen wir, dass die Kunden im Lockdown light den stationären Handel bewusst stärker unterstützt haben. Obwohl sie einzelne Waren auch online bestellen hätten können, haben sie sich für einen Kauf vor Ort entschieden oder Click and Collect genutzt. Wir beobachten, dass diese Form des Einkaufens zugenommen hat. Das ist auch ein Indiz dafür, dass das Thema Omnichannel angenommen wurde und die digitalen Kanäle des stationären Handels genutzt werden.
Karsten Hollasch: Ähnlich sieht es bei den Restaurants aus, die über Liefer- und Abholservice zumindest teilweise eine Kompensation ihres normalen Geschäfts erreichen können. Das, was man in der ersten Welle gelernt hat, kann man jetzt sogar noch besser umsetzen. Denn auch die Nachfrage war im Lockdown light wieder sehr hoch. Schon im Frühjahr wurde das Wachstum der Lieferdienste eigentlich nur durch knappe Kapazitäten beim Personal begrenzt. Das wird sich mit dem Ende des Lockdowns aber sicher wieder ändern.
Egbert Wege: Ein weiterer Trend ist, dass regionale Produkte stärker gekauft werden. Hier trifft wahrscheinlich das Streben nach mehr Nachhaltigkeit mit dem Gedanken zusammen, die eigene Wirtschaft zu unterstützen. Diese Regionalisierung wird in unserer Studie Consumer Pulse Survey von November 2020 ebenfalls sehr deutlich.