Herr Peylo, Künstliche Intelligenz (KI) erfordert einen starken Hintergrund in Mathematik, Informatik oder Ingenieurwesen. Dennoch wird KI oft vermenschlicht – die Sprachsteuerung Siri ist ein Beispiel, der humanoide Roboter „Pepper“ mit seinen großen Augen ein anderes. Brauchen wir eine Person, um uns Künstliche Intelligenz vorstellen zu können?
Dr. Christoph Peylo › Aus meiner Sicht hat das vor allem damit zu tun, dass KI ein durchaus kontroverses Thema ist und bei manchen Menschen Ängste hervorrufen kann. Denken Sie an eine Künstliche Intelligenz wie HAL aus Stanley Kubricks Film „2001 – Odyssee im Weltraum“ – dem ist ja nicht über den Weg zu trauen. Deswegen sind Roboter oft an das Kindchenschema angelehnt. Auch Siri fördert mit ihrer angenehmen Stimme ein eher positives Erlebnis.
Hat Bosch deshalb den IoT-Helden Shawn, der mit seinen „LikeABosch“-Filmen bekannt geworden ist, im Einsatz?
Peylo › (Lacht.) Ja, der ist ja auch ein ganz Sympathischer. Und wenn ich dem Feedback meiner Kinder und deren Freunde vertraue, hat mein Coolnessfaktor als jemand, der bei Bosch arbeitet, durch Shawn deutlich zugenommen.
»Wir entwickeln nicht nur Produkte mit KI für den Endverbraucher. Wir stellen unsere Produkte auch mit KI her.«
Ihre Vision ist ja, dass bis 2025 alle Produkte nicht nur vernetzt sind, sondern auch Künstliche Intelligenz in sich tragen. Wie bringen Sie ein so großes Unternehmen wie Bosch dahin, dass das auch wirklich passiert?
Peylo › Wir beschäftigen uns beim Bosch Center for Artificial Intelligence (BCAI) vor allem damit, wie wir KI durch gute Algorithmen und entsprechende Software auf möglichst viele Geräte bringen können. Wir haben rund zehn Millionen vernetzbare Geräte bereits verkauft und sind deshalb optimistisch, unser Ziel zu erreichen. Im Consumer-Bereich reicht das von Staubsaugern und Kühlschränken über Heizsysteme bis hin zu Waschmaschinen. Letztere könnten mit Hilfe von Sensoren zum Beispiel erkennen, mit welcher Wäsche sie beladen werden und dann gleich das richtige Waschprogramm vorschlagen. Aber wir entwickeln nicht nur Produkte mit KI für den Endverbraucher. Wir stellen unsere Produkte auch mit KI her. So können wir Störungen im Fertigungsprozess verhindern – und Fabriken damit effizienter, produktiver und umweltfreundlicher machen. Wie das funktioniert, zeigen wir unter anderem auf der virtuellen Konferenz AI CON, die führende Köpfe aus der akademischen Welt und der Unternehmensforschung zusammenbringt.
»Bei datengetriebenen lernenden Algorithmen kommt es sehr darauf an, wie repräsentativ die Daten wirklich sind für den Ausschnitt der Welt, den sie darstellen sollen.«
Lassen Sie uns das doch mal greifbar machen: Was wird im Jahr 2025 möglich sein, zum Beispiel in einem Bohrer, aber auch in anderen Geräten?
Peylo › Wenn ich da die ganz große Vision aufmachen darf, über 2025 hinaus, könnte Handwerkerwissen wie die Auswahl des geeigneten Sägeblatts oder des passenden Bohrers in die Werkzeuge integriert werden. Mit diesem Wissen kann ein Werkzeug Sie dann bei Ihrer Arbeit beraten
Macht das Handwerkern denn dann noch Spaß?
Peylo › Ja, gerade dann. Was habe ich mich schon über einen falschen Schnitt und verhunzte Werkstücke geärgert. Aber auch für Handwerker ist so etwas ein erheblicher Mehrwert.
Der Mehrwert ist das eine, das andere ist die Sorge mancher Menschen, dass Maschinen autonome Entscheidungen treffen. Müssen wir da genauer hinschauen, wenn KI zum Beispiel in einem Bohrer enthalten ist, oder ist der Entwicklungsprozess der gleiche wie bei einem analogen Gerät?
Peylo › Da schauen wir natürlich schon genauer hin. Bei datengetriebenen lernenden Algorithmen kommt es sehr darauf an, wie repräsentativ die Daten wirklich sind für den Ausschnitt der Welt, den sie darstellen sollen. Wir achten dabei auch ganz besonders darauf, ob die Daten einen „hidden bias“ enthalten und das System dann Dinge lernt, die nicht repräsentativ sind. Denn dann besteht die Gefahr, dass es falsch entscheidet und gegebenenfalls Menschen diskriminiert.