Gegenwärtig wird viel und gerne über das Ende der menschlichen Arbeit diskutiert. Suggeriert doch bereits die kontroverse Bezeichnung „Künstliche Intelligenz“, dass Maschinen nun auch kognitive Aufgaben erledigen können – jene Aufgaben also, über die bis vor kurzem noch der Mensch ein Monopol zu besitzen schien. Dieses Monopol weicht tatsächlich zunehmend auf: Nachdem schon die menschliche Muskelkraft während der vergangenen drei industriellen Revolutionen von Maschinen ersetzt wurde, wird nun in der vierten industriellen Revolution auch die menschliche Geisteskraft überflüssig.
Neue Technologien werden langfristig unterschätzt
Zwar zeigt die historische Betrachtung industrieller Revolutionen, dass der große Jobverlust aufgrund eines technologischen Wandels – Keynes spricht bereits 1931 von technological unemployment – bis jetzt ausgeblieben ist. Doch neuere Studien – wie die vielbeachtete von Frey und Osborn aus dem Jahr 2013, in denen die Autoren darlegen, dass innerhalb der nächsten zwanzig Jahre 47 Prozent der Berufe in den Vereinigten Staaten durch Automatisierung überflüssig werden – machen den Menschen trotzdem Angst. Hiobsbotschaften wie jene vom drohenden Untergang menschlicher Arbeitskraft sollten wir allerdings rational und kritisch gegenüberstehen.
Einiges weist schon darauf hin, dass sich die jetzige digitale Revolution von den Revolutionen der Vergangenheit abhebt und die Zukunft der Arbeit ein globales Thema ist, das zu Recht auf dem G-20-Gipfel Ende 2018 in Argentinien diskutiert wurde. Die in immer kürzeren Zyklen entwickelten Technologien zeigen, dass die Zukunft nur schwer vorhersehbar ist. Schon vor einigen Jahren formulierte der Futurist Roy Charles Amara folgenden Sinnspruch, bekannt geworden als Amaras Gesetz: „Wir neigen dazu, die Wirkung einer Technologie kurzfristig zu überschätzen und auf lange Sicht zu unterschätzen.“ Da erscheint die Aussage vorschnell, dass Roboter wohl in naher Zukunft nicht das nötige Fingerspitzengefühl für feinmotorische Aufgaben besitzen werden. Auch mit Blick auf die technologischen Entwicklungen der zurückliegenden zehn Jahre. Man schaue sich nur die Bemühungen von Unternehmen wie Boston Dynamics an, deren Roboter bereits jetzt Kunststücke im Turnen vorführen und deren motorische Fähigkeiten in manchen Gebieten schon an die vieler Menschen heranreichen.
Wie entwickeln wir neue Technologien?
Kann digitale Arbeit dann noch menschlich sein, wenn doch Maschinen in Zukunft viele Aufgaben besser erledigen können als wir Menschen? Das hängt sehr davon ab, wie wir mit digitalen Technologien im postdigitalen Zeitalter zusammenarbeiten wollen.
Entscheidend ist: Entwickeln wir Technologien als Werkzeuge oder aber als Maschinen?
Für die Beantwortung dieser Frage erscheint die von der Philosophin Hannah Arendt in ihrem Buch Vita activa angeregte Differenzierung sinnvoll, dass das Werkzeug dem Menschen assistiert, wohingegen der Mensch der Maschine dient, die ihm den Takt ihrer Arbeitsweise aufzwingt.
Wenn wir also zulassen, dass uns Künstliche Intelligenz diktiert, welche Aufgabenschritte als Nächstes zu erledigen sind, können in naher Zukunft selbst hochkomplexe und knifflige Ingenieuraufgaben zu einer monotonen Arbeit verkommen. Konzipieren wir hingegen digitale Technologien als Werkzeuge, die dem Menschen beispielsweise in Entscheidungssituationen assistieren, so kann digitale Arbeit durchaus menschlich sein.
Sinnerfüllung dank Digitalisierung
Ich teile die Ansicht vieler, dass uns die Digitalisierung dazu zwingt, sich auf Sinnsuche zu begeben. Aber ich möchte hier noch einen Schritt weitergehen und die These aufstellen, dass Digitalisierung es auch vermag, uns diesen Sinn zu geben: Die Substitution auch geistiger Arbeitskraft kann nämlich durchaus dazu führen, dass wir uns neuen Aufgaben widmen müssen und können. Wobei uns insbesondere jene Aufgaben rund um den und mit dem Menschen – die in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen werden – einen tieferen Sinn geben können. Es ist gerade diese Arbeit, die uns nach Meinung des Psychologen Abraham Maslow helfen kann, das nach ihm höchste menschliche Bedürfnis zu erreichen – die Selbsttranszendenz. Wir Menschen sehen uns dann nicht mehr nur als Individuen, sondern als Teil eines Ganzen. Dies kann nach Maslow zu einem stärkeren Gefühl von Sinnerfüllung führen. Der Mensch sollte daher die Schaffung digitaler Werkzeuge forcieren, die das postdigitale Zeitalter mit Sinn erfüllen können.
Lukas Mohr
Lukas Mohr ist Doktorand am Betriebswirtschafts-Lehrstuhl für Marketing und Innovation an der Universität Trier. Er forscht unter anderem zu Digitalen Dienstleistungen und dem Internet der Dinge.