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Gesellschaft

»Data Literacy ist die Schlüssel­kompetenz des 21. Jahr­hunderts«

Katharina Schüller gilt als Pionierin im Segment Statistical Consulting und Data Science. Sie ist Geschäftsleiterin und Gründerin von STAT-UP Intelligent Business Solutions in München sowie Lehrbeauftragte an verschiedenen Hochschulen und Buchautorin. Im Interview erläutert sie, warum es ohne „Data Literacy“ künftig nicht mehr gehen wird.

Das Interview führte Christina Lynn Dier

Foto von Katharina Schüller

Künstliche Intelligenz, vernetzte Produktion, kommunizierende Maschinen und selbstfahrende Autos – jeden Tag werden unzählige Mengen an Daten produziert. Wie verändert diese „Datafizierung“ unser Leben und Arbeiten, Frau Schüller?

Katharina Schüller › Wir sehen schon heute, dass Entscheidungen immer häufiger und immer tiefgreifender auf der Basis von Daten und Algorithmen getroffen werden. Das passiert zunehmend automatisiert und wirkt sich auf den Alltag jedes Einzelnen aus – etwa, wann ich welche Werbung im Internet angezeigt bekomme oder welches Workout mir die Fitness-App heute vorschlägt. In Unternehmen werden auf der Grundlage von Datenanalysen zum Beispiel Entscheidungen darüber getroffen, welche Bauteile überprüft und möglicherweise ersetzt werden müssen.

Diese Art der Datenanalyse als solche ist aber nicht neu.

Schüller › Das stimmt, der Mensch hat schon viele Jahrhunderte lang auf der Basis von Daten Entscheidungen getroffen. Neu ist aber die Tatsache, dass zunehmend Algorithmen auswählen, welche Daten und somit welche Informationen wir Menschen überhaupt noch zu Gesicht bekommen. Dadurch geht ein Stück weit die Transparenz verloren – es entsteht eine „Blackbox“. Hinzu kommt, dass ein Algorithmus nicht analysieren kann, was die erfassten Daten bedeuten. Erst durch die Interpretation der Daten durch Menschen lassen sie sich in einen größeren Zusammenhang einordnen. So lange nur Spezialisten auf der Basis von Daten Entscheidungen getroffen haben, war das eine überschaubare Herausforderung. Doch wir alle führen inzwischen ein datengetriebenes Leben und haben somit Zugang zu Daten, die wir in ihrer Gesamtheit so oft gar nicht verstehen. Es ist daher eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Möglichkeiten – aber auch die Grenzen – von Daten und ihrer Aussagekraft zu vermitteln.

»Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Möglichkeiten – aber auch die Grenzen – von Daten und ihrer Aussagekraft zu vermitteln.«

Wenn Daten als wertvolle, vielleicht sogar als die wertvollste Ressource überhaupt, gelten und viele Entscheidungen auf der Basis von Daten getroffen werden, welche Fähigkeiten braucht es dann in Gesellschaft und Arbeitswelt?

Schüller › Es braucht eine Vielzahl verschiedener Fähigkeiten, die ineinander greifen. Medien- und Informationskompetenzen zum Beispiel sind die Grundlage für digitale Teilhabe. Denn erst wenn ich diese Kompetenzen besitze, bin ich in der Lage, mich mit der (digitalen) Informationsflut reflektiert auseinanderzusetzen. Wenn wir einen Blick auf das Feld der digitalen Kreativität werfen, dann braucht es unter anderem die Fähigkeit, digitale Inhalte in verschiedenen Formaten zu erstellen und sich mit digitalen Mitteln auszudrücken. Datenkompetenzen und Kompetenzen rund um Künstliche Intelligenz wiederum bilden das Fundament digitaler Wettbewerbsfähigkeit.

»Mit Data Literacy sind Kompetenzen gemeint, die für alle Menschen auf der ganzen Welt entscheidend sind, damit sie in einer von Digitalisierung geprägten Welt mündig sind und es auch in Zukunft bleiben.«

Spätestens seitdem die Bundesregierung ihre Datenstrategie Anfang des Jahres veröffentlicht hat, ist das Wort „Data Literacy“ auch hierzulande in aller Munde. Was ist damit genau gemeint?

Schüller › Data Literacy gilt zu Recht als die Schlüsselkompetenz des 21. Jahrhunderts. Dieser Begriff umfasst die Fähigkeiten, Daten auf kritische Art und Weise zu sammeln, zu managen, zu bewerten und anzuwenden. Gemeinsam mit anderen Expertinnen und Experten habe ich an der „Data-Literacy-Charta“ mitgearbeitet, die Anfang des Jahres veröffentlicht wurde und im Einklang mit der Datenstrategie der Bundesregierung steht. Wenn Daten Entscheidungsprozesse unterstützen sollen, braucht es demnach Antworten auf die folgenden vier Fragen:

  • Was will ich mit Daten machen? Daten und Datenanalysen sind schließlich kein Selbstzweck, sondern dienen einer konkreten Anwendung in der realen Welt.
  • Was kann ich mit Daten machen? Datenquellen und deren Qualität sowie der Stand der technischen und methodischen Entwicklungen eröffnen Möglichkeiten und setzen Grenzen.
  • Was darf ich mit Daten machen? Alle gesetzlichen Regeln der Datennutzung (u.a. Datenschutz) müssen immer mitbedacht werden.
  • Was soll ich mit Daten machen? Weil Daten eine wertvolle Ressource sind, leitet sich daraus der Anspruch ab, sie zum Wohle der Gesellschaft zu nutzen.

Das mag zunächst so klingen, als sei Data Literacy wieder nur etwas für Spezialisten. Aber nein: Mit Data Literacy sind Kompetenzen gemeint, die für alle Menschen auf der ganzen Welt entscheidend sind, damit sie in einer von Digitalisierung geprägten Welt mündig sind und es auch in Zukunft bleiben.

Vor welchen Herausforderungen steht die Data Literacy Education – etwa in den Schulen und Hochschulen?

Schüller › Wirklich positiv sehe ich die Tatsache, dass Data Literacy inzwischen auch in der Strategie der Bundesregierung verankert ist und erste Ansätze sichtbar sind, das Thema in die Schulen und Hochschulen zu tragen. Ich habe allerdings die Befürchtung, dass Data Literacy in die Ecke der Informatik und Mathematik gedrängt wird und der Fokus sehr stark auf der rein technisch-methodischen Perspektive verharrt. Dabei ist Data Literacy doch so viel mehr: Wir brauchen die anwenderbezogene Perspektive und müssen schon den Schülerinnen und Schülern vermitteln, dass Datenanalysen für einen bestimmten Zweck bestimmt sind, wir sie in den unterschiedlichsten Bereichen brauchen und sie unser Leben nachhaltig prägen. Data Literacy ist also nichts Abstraktes, sondern hat sehr wohl mit dem echten Leben zu tun.

Wie kann Data Literacy sinnvoll gemessen und getestet werden?

Schüller › Dafür braucht es unbedingt einen gültigen Kompetenzrahmen, der von einem allgemein anerkannten Kompetenzteam entwickelt wurde. Und innerhalb dieses Kompetenzrahmens müssen die Kompetenzen so weit runtergebrochen und operationalisiert sein, dass man sie wirklich messen und testen kann. Bezogen auf die Schule, müsste also zum Beispiel festgelegt sein, über welches Niveau an Datenkompetenz die Schülerinnen und Schüler nach der Grundschule, nach der Mittleren Reife und nach der Hochschulreife verfügen sollten. Und das lässt sich natürlich auch noch für die Ausbildung beziehungsweise für das Studium weiterführen. Von einem solchen Kompetenzrahmen sind wir aber noch ein ganzes Stück entfernt.

Werfen wir einen Blick auf die Unternehmen: Wie lässt sich die Verankerung von Datenkompetenz hier schneller und zielgerichteter vorantreiben?

Schüller › Unternehmen brauchen eine übergreifende Datenstrategie. Und damit meine ich nicht, dass Unternehmen eine Liste von möglichen Anwendungsfällen entwickeln, die ein Team von Experten unabhängig von allen anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abarbeitet. Oder dass Firmen ein paar Millionen Euro in digitale Technologien investieren und davon ausgehen, dass damit ihre Datenstrategie in trockenen Tüchern ist. Unternehmen müssen vielmehr hinterfragen, wie sich Entscheidungsprozesse und das Marktumfeld heutzutage verändern, wenn sie mit Daten arbeiten. Welche Strukturen, Regeln, Rollen, Prozesse und Kompetenzen braucht es in Unternehmen künftig, damit sie bereichs- und organisationsübergreifend mit Daten arbeiten können? Zum Beispiel wenn es darum geht, Daten mit Kunden, Lieferanten oder sogar Wettbewerbern zu teilen? Und wie schaffe ich es als Unternehmen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend einzubinden? Es reicht ganz sicher nicht aus, einen Data-Literacy-Standardkurs zu buchen und die ganze Belegschaft hinzuschicken. Es braucht stattdessen individuelle und mit der Personalabteilung abgestimmte Weiterbildungsprogramme auf der Grundlage der Frage, welche (digitalen) Kompetenzprofile für das Unternehmen in Zukunft entscheidend sein werden.
Die gute Nachricht ist also: Unternehmen können Data Literacy in einem sehr strukturierten Prozess umsetzen – aber das passiert eben nicht über Nacht, sondern muss in eine langfristige Datenstrategie eingebettet sein.

»Unternehmen können Data Literacy in einem sehr strukturierten Prozess umsetzen – aber das passiert eben nicht über Nacht, sondern muss in eine langfristige Datenstrategie eingebettet sein.«

Sie leiten eine Arbeitsgruppe des Weltdachverbands der Elektroingenieure, die sich damit beschäftigt, global gültige Standards für Daten- und KI-Kompetenzen zu entwickeln. Warum braucht es das?

Schüller › Ich glaube, es ist sinnvoll, nicht nur darauf zu warten, bis der Staat gewisse Dinge rund um die Digitalisierung regelt, sondern selbst Impulse zu setzen. Das werden wir mit der rund 15-köpfigen Arbeitsgruppe, die Anfang Dezember ihre Projektarbeit aufnimmt, versuchen zu tun. Wir schließen dabei unmittelbar an den Standard IEEE 7000 an, der im September dieses Jahres veröffentlicht wurde. Dieser definiert einen Modellprozess zur Berücksichtigung ethischer Belange bei der Entwicklung autonomer Systeme. Um ein derartiges „Ethics by Design“ systematisch zu ermöglichen, braucht es einen Standard für entsprechende Daten- und KI-Kompetenzen. Diesen neuen Standard werden wir in den kommenden circa zwei Jahren entwickeln. Aus meiner Sicht ist ein globaler Standard für Datenkompetenzen unerlässlich, denn nur so können die Bemühungen zum Aufbau von Data Literacy weltweit koordiniert werden und jeder Einzelne wird in die Lage versetzt, bewusst und ethisch fundiert mit Daten umzugehen.

Porträt von Katharina Schüller

Katharina Schüller

Katharina Schüller, geboren 1977, studierte Statistik in München und absolvierte parallel ein Management-Studium an der Bayrischen Elite-Akademie. 2003 gründete sie „STAT-UP“ – ein Unternehmen für Statistische Beratung und Data Science mit Sitz in München. Seit 2010 existiert eine Niederlassung in Madrid. Mit ihrer Firma STAT-UP arbeitete Schüller für knapp die Hälfte der Dax-Firmen in Deutschland, für internationale Konzerne sowie für zahlreiche Bundesministerien und Bundesämter. Sie ist außerdem Lehrbeauftragte für Statistik und Datenkompetenz an verschiedenen Hochschulen sowie Buchautorin. Katharina Schüller lebt in München, ist verheiratet und hat vier Kinder.