Angesichts ihrer hohen Volatilität stehen Kryptowährungen derzeit im Fokus der Öffentlichkeit. Stark schwankende Kurse haben bei Krypto-Investoren für erhebliche Verluste gesorgt; hinzu kommt die Kritik am hohen Energieverbrauch in der Herstellung und im Verkauf von Bitcoin und Co. Doch auch wenn Nachrichten wie diese einen Schatten auf die darunter liegende Technologie werfen, ist ihr Potential nicht zu unterschätzen.
Distributed Ledger-Technologien sind im Begriff, die höchsten Weihen der obersten Währungshüter zu erhalten: Weltweit denken Zentralbanken über eigene digitale Währungen nach, unter anderem auf Blockchain-Basis. Die US-Regierung evaluiert gemeinsam mit der Notenbank Fed die Einführung einer Digitalwährung; die Europäische Zentralbank will ihre Prüfung eines digitalen Euro bis 2023 abschließen und im Anschluss eine Pilotphase starten. In Nigeria, Jamaika und auf den Bahamas haben die jeweiligen Zentralbanken Digital-Währungen bereits in Umlauf gebracht.
Jenseits des Geldmarktes ermöglicht Blockchain innovative Lösungen, insbesondere dort, wo Vertrauen zwischen den wirtschaftlichen Akteuren sonst nur mit hohem Aufwand herzustellen und zu erhalten ist. Denn anders als bei den von einzelnen Unternehmen betriebenen Datenbanken sind in den dezentralisierten Transaktionsdatenbanken der Blockchain die Lese- und Schreibvorgänge aller berechtigten Teilnehmer einsehbar, nachvollziehbar und zugleich unveränderlich. Auch gibt es keine übergeordneten oder mit besonderen Rechten ausgestattete Administratoren, denen alle Teilnehmer vertrauen müssten.
Transparent und geschützt vor Manipulation
„In der Lieferkette ermöglicht die Blockchain-Technologie eine jederzeit überprüfbare und manipulationssichere Erfassung von Transaktionsdaten“, sagt Dr. Jürgen Sandau, Partner und Leiter Offering Lead Supply Chain & Network Operations bei Deloitte. „Mit diesen Eigenschaften ist die Blockchain ein essenzieller Baustein insbesondere in der Digital-Ökonomie. Denn sie ist in der Lage, ein noch nie da gewesenes Maß an Vertrauen zu schaffen.“ Damit wird es möglich, ein weitreichendes digitales Ökosystem zu bilden, an dem alle Akteure einer Lieferkette teilnehmen können.
Blockchain-basierte Plattformen helfen, eine der großen Herausforderungen zu überwinden, vor der in der Lieferkette viele Beteiligten stehen: den Konflikt zwischen der Notwendigkeit der Kooperation beim Datenaustausch und den berechtigten Sicherheitsinteressen der Unternehmen. „Die Blockchain-Technologie ist die Lösung für diesen Zwiespalt“, sagt Dr.-Ing. Markus A. Stulle, Director und verantwortlich für neue Technologien wie Distributed Ledger Technology im Bereich Technology Strategy & Transformation bei Deloitte. „Denn Unternehmen wollen einerseits relevante Daten mit anderen Beteiligten teilen und andererseits ihre Datensouveränität wahren. Die Blockchain ermöglicht es den Firmen, ihre Daten so zu teilen, dass diese nicht verändert werden können. Sie schafft Transparenz, ohne dass der Data-Owner die Kontrolle verliert.“
Komplexe Berechnungen auf Knopfdruck
Ein Beispiel dafür ist der CO2-Fußabdruck eines Produktes oder einer Dienstleistung, einer von mehreren Aspekten, die mit dem Lieferkettengesetz (LKSG) ab 2023 für größere Unternehmen relevant werden. „Die Emissionen im Nachhinein zu bestimmen, stellt einen enormen Aufwand dar. Viel einfacher ist es, wenn jeder an der Herstellung Beteiligte den CO2-Fußabdruck für seine Komponente oder seine Transportaufgabe berechnet hat. Dann kann der gesamte Abdruck am Schluss quasi per Knopfdruck von einem Smart Contract zusammenfassend erstellt werden“, sagt Sandau. Der CO2-Fußabdruck ist dabei nur ein Beispiel. „So lässt sich auch die Herkunft von Rohstoffen wie Kobalt mithilfe der Blockchain sicherstellen, sodass die Anforderungen des LKSG mit vergleichsweise geringem Aufwand erfüllt werden können.“
Angesichts von einst linearen Lieferketten, die sich zunehmend in dynamische digitale Supply-Netzwerke verwandeln, wird der reibungslose Datenaustausch zwischen den verschiedenen Beteiligten immer wichtiger für den Erfolg datengetriebener Geschäftsmodelle. Zugleich wird er immer schwieriger, denn wie früher alle Informationen zentral zu bündeln und dann zu verteilen ist aus Zeit- und Ressourcengründen nicht mehr möglich. „Den Komfort des einfach zu aggregierenden CO2-Eintrags bieten nur sogenannte Permission Blockchains“, sagt Stulle. „Im Unterschied zu Public Blockchains, auf denen beispielsweise der Bitcoin beruht und die im Prinzip allen offen stehen, können an der Permission Blockchain nur dazu Berechtigte teilnehmen.“
Die Regeln der TrustChain vereinbaren die Teilnehmer
Einigen sich Unternehmen darauf, an der Permission Chain teilzunehmen, vereinbaren sie bei ihrer Erstellung die Regeln, nach denen diese Blockchain funktionieren soll. Eine Regel kann sein, in welchem Datenformat Informationen in die Blockchain geschrieben werden. Mit Regeln können aber auch die Bedingungen gemeint sein, die von Unternehmen erfüllt werden müssen, um an der Blockchain teilnehmen zu können oder nach welchem Modus die Blockchain Updates erfährt. Sowohl die Gruppe der Teilnehmer als auch die Regeln der Blockchain können im Lauf der Zeit verändert werden. Über den Modus, nach dem solche Veränderungen möglich sind, entscheiden ebenfalls alle Teilnehmer.
Über die Dokumentation des CO2-Fußabdrucks hinaus gibt es zahlreiche weitere Anwendungsfälle für die Blockchain in der Lieferkette. „Ein mittlerweile bewährtes Beispiel ist die Meldung eines schadhaften Produktes oder einer defekten Komponente. Je schneller diese Meldung erfolgt, desto schneller kann ein Fehler in der Produktion behoben werden, der andernfalls einen umfassenden Rückruf verursachen könnte – mit entsprechenden Kosten oder Imageschaden für Unternehmen“, erläutert Sandau. Eine weitere Anwendung ist der lückenlose Herkunftsnachweis aller Produktbestandteile und eine Dritte sind Zölle und Steuern, die durch den grenzüberschreitenden Transport von Produkten oder Komponenten anfallen. Der Einsatz der Permission Chain kann dazu beitragen, unnötige Zölle oder Umsatzsteuern zu vermeiden.