Herr Bordt, Sie beraten und begleiten viele Topmanager. Dabei setzen Sie auf Methoden und Übungen, die der Jesuitenorden in seiner jahrhundertealten Geschichte entwickelt hat. Sind diese in unserem schnelllebigen Alltag nicht längst überholt?
Michael Bordt › Nein, keinesfalls. Im Gegenteil: Ich würde sogar behaupten, dass in unserer hochtechnologisierten, digitalen Welt genau diese ursprünglichen Methoden zur Selbstreflexion und Selbstwahrnehmung wichtiger sind denn je.
Das müssen Sie erläutern.
Bordt › Der englische Begriff VUCA fasst die schwierigen Rahmenbedingungen, in denen die Unternehmensführung heute stattfindet, gut zusammen. VUCA steht ins Deutsche übersetzt für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit. Genau in einer solchen VUCA-Welt müssen Führungskräfte Entscheidungen treffen, ohne zu wissen, ob sie richtig oder falsch sind. Mit den im BWL-Studium erlernten Methoden der Problembewältigung kommen sie hier ganz schnell an ihre Grenzen. Denn die Dinge sind nicht mehr nur kompliziert, sondern komplex. Selbst nach reiflicher Überlegung erhalten wir oft keine Klarheit in der Entscheidung.
»Die Dinge werden durch so viele einzelne Faktoren bestimmt, dass man sie ganz prinzipiell nicht mehr in den Griff bekommen kann. Das ist eine ganz starke Ohnmachtserfahrung, die viele Führungskräfte an dieser Stelle erleben.«
Was hat das zur Folge?
Bordt › Wenn die Unsicherheit, in der man im Äußeren agiert, zu einer inneren Unsicherheit wird, dann kann das zu Entscheidungsunfähigkeit, Lähmung und Endlosdiskussionen führen. Das beobachten wir in vielen Unternehmen. Was man dem aber entgegensetzen kann, ist eine starke Persönlichkeit, die in sich ruht und Orientierung gibt. Eine Persönlichkeit, die eine Vorstellung davon hat, wie das Unternehmen Entwicklungen wie die Digitalisierung vorantreiben kann, die entscheidungsfähig ist, die sich selbst und andere Menschen führen kann. Diese Charakterstärke ist gerade in einer sich rasch verändernden Welt enorm wichtig.