Herr Wirnsperger, sind Politiker, Unternehmer und Privatpersonen gut auf die Cyberrisiken des Jahrhunderts der Digitalisierung vorbereitet?
Peter Wirnsperger › Nicht gut genug. Die Digitalisierung kommt bei vielen nur zeitverzögert an – und so stehen auch die damit einhergehenden Risiken und die Sicherheit, die man bräuchte, eher in der zweiten Reihe. Aus meiner Sicht besteht die drängendste Aufgabe zunächst aber darin, überhaupt zu digitalisieren, also Lösungsansätze zu finden, mit denen das analoge Leben und Arbeiten digital transformiert werden kann. Die Chancen, die sich dabei bieten, sollten im Vordergrund stehen und nicht durch Bedenken im Keim erstickt werden. Der Wunsch nach Sicherheit darf den Aufbruch ins digitale Zeitalter nicht behindern, mitgedacht werden sollte er aber schon. Wenn das heute oft nicht geschieht, liegt das auch daran, dass ein Sicherheitsbedürfnis immer auf dem Erfahrungsschatz beruht. Wessen Konten noch nie gehackt oder Daten noch nie gestohlen wurden, der hält die Chance, Opfer einer Cyberattacke zu werden, für eher klein. Das ist ein Irrtum. Ein Risiko existiert, auch wenn man persönlich noch nicht betroffen war. Deshalb haben wir diese Szenarien entwickelt, um unseren Kunden das „Was-wäre-wenn?“ zu zeigen.
Die Bandbreite der vier Szenarien von „Future of Cyber Risk 2035“ reicht von einer optimistischen bis hin zu einer katastrophalen Zukunft. Wie sind Sie bei der Entwicklung methodisch vorgegangen?
Wirnsperger › Gerade bei der digitalen Kommunikation waren zumindest wir in Europa eher zurückhaltend, schließlich war es die Pandemie, die uns einen Schubs gegeben hat. Die Techniken der Videokonferenzen waren seit Jahrzehnten erprobt, durchgesetzt hatten sie sich aber nicht. Das ist jetzt anders. Bei vielen unserer Kunden müssen wir heute nicht mehr direkt vor Ort präsent sein. Selbst im öffentlichen Bereich, wo Angebotspräsentationen noch sehr traditionell gehalten wurden, geht plötzlich alles digital. Ob das Bestand hat, muss sich zwar erst noch erweisen. Da die Pandemie aber nicht vom einen auf den anderen Tag verschwinden wird, könnte uns diese digitale Art der Kommunikation wohl noch länger erhalten bleiben oder sich endgültig so etablieren. Das bietet auch Cyberrisiken mehr Raum. Früher standen der digitalen Kommunikation in sogenannten unsicheren Räumen, also zu Hause oder am Flughafen, größte Bedenken entgegen. Jetzt mussten wir kurzfristig die Fahrtrichtung ändern, Gedanken zur Cybersecurity und zur Absicherung der Privacy machen wir uns aber erst im Nachhinein.